Was hat mich zu einer so drastischen Überschrift verleitet? Was ist passiert? Ein Wechsel ins andere Klischee? Von den sonnigen Wonnen des Zuckerhuts in die finsteren, gewalttätigen, unberechenbarenbaren Abgründe Rios?
Tatsächlich bin ich immer noch dabei, die Ereignisse des vergangenen Wochenendes zu sortieren. Und ich komme kaum weiter. Fest steht: Rio fühlt sich jetzt etwas anders an, und ein mulmiges Gefühl will nicht mehr aus der Magengegend weichen.
Was ist geschehen?
Auf dem Dach des Hauses meines Schwiegervaters in der Nordzone Rios (Iraja) sind meine Familie und ich unversehens in das Zentrum einer Schießerei geraten. Wir waren gerade am Grillen. Eine Salve in der Nacht leuchtender Kugeln (man kann die Dinger wirklich SEHEN!) flog so dicht an uns vorbei, dass mir noch immer der Atem gefriert, wenn ich mich daran erinnere.
In totaler Panik packten wir unsere kleine Tochter und stürzten zusammen mit der ganzen Familie in das untere Stockwerk.
Dass man Schüsse hört, ist in Rio selbst auch in der verhältnismäßig sehr kleinen pseudosicheren Südzone Rios (Copacabana, Ipanema, Leblon usw.) nichts Ungewöhnliches. Schließlich gibt es angrenzende Favelas mit rivalisierenden Drogenheinzies (Trafikantschies genannt) fast überall. Es ist immer eine Frage der Interpretation: Waren es nun wirklich Schüsse, die man mal wieder gehört hat, oder lediglich nur eines der üblichen Feuerwerke?
Aber auch in der touristisch wenig erschlossenen, im Verhältnis sehr großen Nordzone Rios ist es nicht unbedingt an der Tagesordnung, dass man plötzlich buchstäblich mitten in der absoluten Scheiße sitzt und wie im Irak, hinter Wände in Deckung springen muss, um das Leben zu retten.
Aber genau das war die Situation, in der wir uns urplötzlich befanden.
Es spielten keine Kinder mehr auf der Straße, auch die gelben Plastikstühle mit den biersaufenden Erwachsenen waren verschwunden. Nur ein gespenstischer, gepanzerter Wagen fuhr die Rua Iara entlang...
Nach einer Stunde sind wir dann in mein Auto gestiegen und mit heruntergelassenen Fenstern (die Fenster sind so dunkel getönt, dass man selbst bei gleißendendem Sonnenlicht die Passagiere nicht erkennen kann), damit man sehen konnte, dass wir weder zu den Banditen noch zur Polizei gehörten, bis zur rettenden Schnellstraße (Avenida Brasil) gefahren...
Am nächsten Tag habe ich mir dann auch noch zu allem Überfluß total gringomäßig mein 5 Megapixelhandy klauen lassen, indem ich alle Sicherheitshinweise für Vollidioten, die das erste Mal Rio besuchen, außer Acht ließ und völlig beknackt am Fahrradweg unweit vom Strand von Ipanema die "zwei Brüder" im Gegenlicht fotografieren wollte. Ich habe den Schweinehund, der mit großer Geschwindigkeit auf dem Fahrrad auf mich zufuhr absolut nicht gesehen und nur das Gefühl von DUNKLER, NEGATIVER ENERGIE gespeichert, als dieser Mensch mir mein Handy auf Nimmerwiedersehen aus der Hand riss.
Ein ätzendes Gefühl. Nicht wegen des blöden Handys. Aber ich hatte gerade meine kleine Tochter gefilmt - am Strand - und mich schon gefreut, die neuen Filme auf diese Seite zu stellen.
Hoffentlich hat der Dieb ein ordentlich schlechtes Gewissen, falls er sich - vor dem Löschen aller Dateien - die Zeit zum Sichten meiner Aufnahmen genommen hat!
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