Nach anderthalb Wochen in meiner alten Heimat Flensburg bin ich um einige Erkenntnisse reicher.
1. Filet vom Sommer
Vergangenes Jahr um diese Zeit waren wir in Bahia (Brasilien). Es war sehr sommerlich und die Landschaft nicht selten von traumhafter Schönheit. Aber: Es war um halb sechs dunkel. Das ist hier in meiner fast-skandinavischen Heimatstadt Flensburg anders. Es bleibt hell. Selbst wenn die Sonne um kurz vor 22.00 Uhr untergegangen ist, bleibt es noch lange hell bzw. es wird gar nicht richtig dunkel. Das finde ich herrlich und ich muss zugeben: Es hat mir in Brasilien gefehlt. Wenn die Dämmerung ewig zu dauern scheint und meine kleine Tochter am Strand in einer Sonne spielt, die keine Haut mehr verbrennt. Sie als Silhouette vor dem Sonnenuntergang und ich mit einem kalten Glas Riesling in der Hand, das ist unschlagbar. Der ständige Sommer in Rio ist toll, aber das Filet Mignon, das Gelee Royal des Sommers ist hier in Europas Norden zu finden.
2. Die Menschen sind freundlich
Habe ich hier schon mit so manchem Klischee abgerechnet, dass Deutsche gegenüber Brasilianern pflegen, muss ich heute einmal eine Lanze für die Norddeutschen brechen. Wo wir auch hinkommen, treffen wir auf offene und kommunikationsfreudige Menschen, die sich für uns interessieren. Vielleicht liegt die gute Laune ja an diesem Traumsommer, aber dass die Deutschen fechado (verschlossen) sind, stimmt nicht. Sie haben Humor, sind offen und neugierig.
3. Es ist alles ganz leise
Wie kann es sein, dass es hier so viel leiser ist? Wenn keiner was sagt, was vorkommt, hört man keinen Ton. Aber auch sonst, mit Autolärm, Meeresrauschen oder Möwengeschrei bleibt es wesentlich leiser, als in Rio. Hier kann ich sogar die Lautsprecher meines megaleisen Notebooks hören. Es muss dafür eine andere Erklärung geben, als dass es in Rio mehr Autos als in Flensburg gibt.
4. Autofahren
Wir haben einen sehr hässlichen Mietwagen, einen Opel Merivan, der aber klasse fährt. Er hat 105 PS und es ist eine Freude, die norddeutschen Landstra゚en damit zu befahren. Darauf hatte ich mich auch gefreut: STRASSE, STRASSE, STRASSE. In Rio macht das Autofahren auch Spaß. Keiner hält sich an Regeln, außer vielleicht an die eine, dass das Auto gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern grundsätzlich und uneingeschränkt Vorfahrt hat. Meistens steht der Carioca aber im Stau. Wenn es dann tatsächlich einmal etwas STRASSE gibt, dann heizen alle wir irre. Autofahren in Deutschland ist wesentlich entspannter. STRASSE gibt es hier satt - wie in Rio den Sommer.
5. Minderheiten
Hat jemand schon einmal untersucht, ob Minderheiten nicht besonders privilegiert sind? Bestimmt ist diese Erkenntnis nicht neu. Hier in meiner Heimatstadt Flensburg ist meine brasilianische Frau mir gegenüber eindeutig im Vorteil. Durch ihre Vernetzung mit den ca. hundert ansässigen Brasilianern hat sie ganz andere "Connections". So gelang es ihr, für unseren Aufenthalt eine Traumsuite in einem eigentlich geschlossenenen Hotel zu buchen, für verhältnismä゚ig wenig Geld. Nun residieren wir in Glücksburg direkt am Strand mit traumhaftem Ausblick auf die Flensburger Förde. Alle geplanten Trips in deutsche Städte haben wir kurzerhand abgesagt. Hier ist es toll. In Rio habe ich übrigens die besseren Verbindungen, obwohl meine Frau dort aufwuchs!
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uwebrunn (Montag, 26 Juli 2010 02:08)
Hi Robert!
Glueckwunsch zu dem schoenen Sommerwetter! Auf der Ilha Grande und in Recife stand und steht dagegen Regenwetter auf dem Programm. Aber bei 26 Grad und mit einigen guten Buechern laesst sich auch dabei prima entspannen, und das hatten wir ja wohl dringend noetig... Até logo! Uwe
Jürgen Kühn (Montag, 26 Juli 2010 15:02)
Lieber Robert,
über Deine guten Nachrichten aus Flensburg/Glücksburg haben wir uns sehr gefreut. Vielleicht habt Ihr es mit den beiden Welten, Rio u. Norddtschld., am besten getroffen. Wir sind v.1.-15.8. an der Ostseeküste v. MeckPom, hoffentl. mit noch warmen Wetter. Dir und den Deinen alles Gute
Dein Jürgen
Hiltraud (Dienstag, 27 Juli 2010 15:22)
Olá Robert, während ich das hier lese, seid Ihr schon auf der Rückfahrt erstmal in Richtung Hamburg... Giovanna hat gerade noch nach meinem Schatten auf der Glücksburger Promenade gejagt, die Sonne scheint noch, aber schnell ist wieder alles vorbei. Fein,dass Ihr es so schön bei uns gefunden habt, dann kommt Ihr ja bald wieder. Und ich komme auch gern wieder nach Rio, wenn hier der kalte Winter ausgebrochen ist.