Als mein Freund Fernando mich Anfang Oktober fragte, ob ich mit zu KISS wolle, sagte ich sofort ja. Mein Busenfreund Dennis hatte KISS entdeckt, als wir beide 11 oder 12 Jahre alt waren und hielt mir ständig die schrillen Plattencover vor die Nase. Lange Zeit war das Hören anderer Musik in Dennis Gegenwart gar nicht mehr möglich gewesen. Immer ballerte LOVE GUN oder RADIOACTIVE in seinem Zimmer aus den noch verhältnismäßig kleinen Boxen seines Plattenspielers.
Jetzt hier in Rio gewöhnte ich mich erstaunlich schnell wieder an die Musik, die ich mir in Vorbereitung auf das Konzert auf das iPhone geladen hatte. Auch das neue Album "MONSTER" kam im Auto ganz gut.
Die Kartenpreise (360 Reais pro Stück Stehplatz vor der Bühne) für meine Frau und mich hatte ich verdaut, gestern sollte es also los gehen. Dennis war leider zu einer Reise nach Rio anlässlich des Konzertes nicht zu bewegen gewesen, hatte mir aber viel Spaß gewünscht. Die Fahrt zur HSBC-Arena weit draußen in der Barra war der schiere Horror, was an einem wahnsinnigen Taxifahrer lag. Über Taxifahren in Rio muss ich aber nochmal gesondert schreiben. Nur soviel: Delaine und ich waren wirklich - ohne Quatsch - erleichtert, lebend die Konzerthalle erreicht zu haben, und wir sind nicht zimperlich!
"Es ist wie in einer Shopping-Mall" stellte Fernado im Eingangsbereich der HSBC- Arena fest und ergänzte: "Es riecht wie im Kino: nach Popcorn. Auch die Airkondition ist wie in brasilianischen Kinos. Niemand schwitzt mehr. Ist das die Zukunft von Rockkonzerten?" Eigentlich ist er ja ganz schön, dieser Komfort im Konzert. Kein Gedränge, kein Geschiebe. Aber so richtige Konzertatmosphäre wie bei Rock in Rio kommt in so einem Shopping-Center mit Bühne natürlich wirklich nicht von alleine auf. Dass wenig später trotzdem Rockfeeling herrschte, lag an dem absolut überzeugenden Auftritt der alten Knacker von Kiss. Unter der dicken Schminke ist das wahre Alter eh nur erahnbar und auf der Bühne war von Geriatrie nichts zu spüren! Dennis, Du hast was verpasst! Toller Sound, souveräne Leistung aller Musiker und Pyro-Effekte am laufenden Meter. Gene Simmons Zunge schnellte in hoher Frequenz und altbekannter Manier und Länge aus seinem Mund - selbst das Spucken von Blut war Simmons (der in den USA zuletzt großen Erfolg in einer Familien-Reality-Show hatte) nicht zu albern.
Zwei Tiefpunkte gab es aber doch:
1. Die absolut schwachsinnigen Worteinlagen von dem ansonsten super singenden Paul Stanley, der bei seinen Songankündigungen oder Aufmunterungen zu noch mehr Extase seine Stimme ständig so verstellte, als sei er eine alte likörabhängige Tante, die unartigen Kindern komplizierte Sachverhalte in Kindersprache und Lehrergestik verklickern müsste (Kostprobe in meinem kleinen Handy-Video unter der Handy-Bildergalerie).
2. Es gab nur BUDWEISER (6 Reais die Dose!) zu kaufen, was zum Glück kein brasilianisches Bier ist, da es ansonsten einen der untersten Plätze in meinem jüngst erschienen Bier-Ranking bekleiden würde. Dann sogar noch lieber ein Brahma!
Ansonsten war es ein toller Abend. Auf der Rückfahrt zu unserem Wohnort Copacabana hatten wir einen besonnenen Taxifahrer, die gibt es eben auch in Rio.
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Delaine (Dienstag, 20 November 2012 23:45)
Das war sehr schön!
Beijos
Jan (Mittwoch, 21 November 2012 22:09)
Hört sich ja echt nach nem geilen Konzert an! Und immerhin kein Carlsberg!
Hiltraud (Donnerstag, 22 November 2012 18:18)
Was für eine verrückte Bühnenschau! Aber toll!